»sarah ines« LESEN
Sag niemals nie
Ich frage dich, warum. Nur ein letztes Mal noch frage ich dich, warum.
Du sitzst vor mir und antwortest nicht, obwohl ich dich endlich in meiner
Gewalt habe. Das letzte, was du sagtest, war, dass ich wohl einmal zu oft
Basic Instinct gesehen hätte. Vielleicht hast du Recht, aber ich brauche
keinen Eispickel, ich will bloß mit dir vögeln wie die Steinesel.
Ich weiß, du wolltest das auch einmal, willst es noch, oder wieder.
Das Gift wirkt schon. Ich spüre es in meinem Blut kreisen. Ich werde
dir geben, was keine andere dir geben kann, und danach wird dir keine andere
mehr irgendetwas geben. Denn du wirst mir gehören. Und ich dir.
Du brauchst nichts mehr zu sagen. Tausendundeine Nacht ist längst vorbei.
Komm her, ich binde dich los. Komm her, leg deine Hände auf mich, lass uns
ein letztes Mal unsere vergifteten Körper genießen.
Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich.
Niemals, hast du gesagt, niemals wieder würdest du eine andere Frau wollen,
geschweige denn deine primären Geschlechtsorgane in ihr kreisen lassen.
Deine Orgasmen würden mir gehören, bis ans Ende deines Lebens.
Aber, sag niemals nie, denn dann dachtest du doch, einmal ist keinmal.
Spürst du meine Tränen auf deine Haut tropfen? Ich werde dich jetzt
ein letztes Mal lieben. Spürst du meine Hände, wie sie über deinen
Körper gleiten, um ein letztes Mal im Buch deines Körpers zu lesen,
um endgültig alle deine Erregungszentren aufzudecken, um ein letztes Mal Worte
in dein Ohr zu hauchen, die ich nicht mehr zu bereuen brauche? Beiß mich,
beiß Stücke aus meinem Fleisch, kaue mich ausgiebig, jeden Bissen mindestens
dreißig Mal. Ich werde es dir vergelten. Ich werde dich verschlingen.
Ich werde dein blauer Engel sein, deine verhängnisvolle Affäre, deine unerträgliche
Leichtigkeit des Seins, werde Terroranschläge auf deinen Körper und deinen Geist verüben.
Lass uns alle Klischees ad absurdum führen. Lass uns unseren letzten Tag und unsere
letzte Nacht pflücken wie eine Orchidee, die nur ein einziges Mal blüht. Hör
nicht auf. Dring ein in all meine Körperöffnungen. Ich bring dir dafür dein
Hirn zum Kochen, löffle es aus deiner Schädelschale. Ich lasse dafür Männerträume
wahr werden. Das wird der beste Blowjob deines Lebens, der letzte. Schneller, schneller,
denk an das Gift. Die Sinne schwinden mir schon. Komm schon. Ich komme. Oh bitte, oh ja,
ich spüre dich zittern und röcheln. Der Sturm naht schon. Los, bring's zu Ende.
Ich seh schon das Licht am Ende der Unterwelt. Ich spür ihn kommen, den kleinen und
den großen Tod.
Der Wecker wirft mich aus dem Bett und ich ihn an die Wand. Ich stehe dann aber doch
widerwillig auf. Verwunschene Prinzen gibt's nur im Märchen und der Job ruft. Alles wie
immer. Mit weichen Knien stakse ich ins Bad, wo deine Zahnpastaspuren das Waschbecken zieren
und der Duft deines Aftershaves noch in der Luft liegt. Ich höre dich in der Küche
rumoren. Gleich wirst du dich mit einem Küsschen verabschieden. Was soll's, denke ich,
vielleicht hast du Recht und einmal ist keinmal und du bist nicht perfekt. Und ich bin nicht
perfekt. Also brauche auch ich jetzt niemals mehr nie sagen.
© Sarah Ines
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